Sortenempfehlungen Wintergerste Herbst 2023

Sortenversuch Wintergerste Bieswang

Sortenversuchsfeld

Wintergerste wichtigstes Kraftfutter für die Tierhaltung

Wintergerste stellt in Mittelfranken nach Winterweizen die zweitwichtigste Getreideart dar und liefert zugleich den größten Teil des Kraftfutters für die tierische Veredelung. In Milchvieh haltenden Betrieben ist auch das Gerstenstroh zur Verfütterung und als Einstreu sehr begehrt.
Die für Mittelfranken relevanten Landessortenversuche zu Wintergerste stehen in Rudolzhofen und in Bieswang.

Standort Rudolzhofen

Der Versuch in Rudolzhofen (Uffenheimer Gau, Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) wurde am 23.9.2022 pfluglos in ein grob-krümeliges Saatbett nach Vorfrucht Silomais gesät. Der Bestand lief zügig und sehr gleichmäßig auf, entwickelte sich im feuchten und sehr lange frostfreien Herbst sehr mastig und bildete im feucht-kühlen Frühjahr sehr hohe Bestandesdichten. Der rasche Wechsel hin zu trockener Witterung im Mai führte ab Mitte Juni zu einer schnellen Abreife mit Beeinträchtigung der Kornausbildung.

Der für die feuchte Frühjahrswitterung typischerweise schon früh aufgetretene Befall mit Rhynchosporium wurde mit einer Fungizid-Vorlage in Stufe 2 erfolgreich gestoppt. Die beginnende Trockenheit verhinderte in der Folge die Entwicklung der typischen Blattkrankheiten, so dass die Fungizid-Nachlage hauptsächlich vorbeugend auf den Komplex aus nichtparasitären Blattverbräunungen/Ramularia abzielte. Doch auch dieser trat heuer erst relativ spät auf und fiel daher zum Teil in die bereits eingeleitete Abreife.

Klassisches Lager kam nur in wenigen zweizeiligen Sorten vor und konnte auch dort meist durch die zweimalige Behandlung mit Wachstumsreglern in Stufe 2 verhindert werden. Wesentlich stärker zum Tragen kam jedoch das Halmknicken auf etwa 30 bis 40 cm Höhe über dem Boden, wobei hier kaum Sorten- und auch kaum Stufenunterschiede festzustellen waren.

Bei der Ernte am 6.7.2023 lagen die Erträge in beiden Sortimenten auf nahezu gleichem Niveau: Die zweizeiligen Sorten lieferten in der unbehandelten Stufe 1 durchschnittlich 92,6 dt/ha und in der mit Wachstumsreglern und Fungiziden behandelten Stufe 2 im Durchschnitt hervorragende 105,9 dt/ha, womit der mehrjährige Ertragsdurchschnitt dieses Standortes um sage und schreibe 17 dt/ha überschritten wurde. Auch die mehrzeiligen Sorten erreichten mit durchschnittlich 91,6 dt/ha in Stufe 1 und 104,5 dt/ha in Stufe 2 angesichts des mehrjährigen Ertragsdurchschnittes von 90 dt/ha ein sehr gutes Ergebnis. Die sehr hohe Ertragsdifferenz von jeweils 13 dt/ha zwischen Stufe 1 und Stufe 2 überrascht angesichts des moderaten Krankheitsdruckes und dürfte sowohl auf die Bekämpfung des frühen Befalls mit Rhynchosporium als auch auf die Eindämmung des Komplexes aus nichtparasitären Blattverbräunungen/Ramularia zurückzuführen sein.
Die höhere Intensität in Stufe 2 führte zu Mehrerlösen von 45 €/ha bei den zweizeiligen und 37 €/ha bei den mehrzeiligen Sorten.

Standort Bieswang

Auch am Standort Bieswang (auf dem Jura, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen) wurde der Versuch am 23.9.2022 gesät, hier in ein gepflügtes Saatbett nach Vorfrucht Winterweizen. Der Bestand lief gleichmäßig und schön auf und ging gut bestockt in den Winter, den er schadlos überstand. Im Frühjahr zeigten sich optimale Bestandesdichten.

An Krankheiten spielten vor allem Rhynchosporium und bei den zweizeiligen Sorten auch Netzflecken eine Rolle, weshalb die Entscheidung für eine frühe Fungizid-Vorlage in Stufe 2 fiel. Der Komplex aus nichtparasitären Blattverbräunungen/Ramularia war hingegen nur sehr schwach ausgeprägt; eine Bonitur hätte hier keine Differenzierungen ergeben.

Die in Stufe 1 mit reduzierter Aufwandmenge durchgeführte Wachstumsregler-Behandlung vermochte das Auftreten von Lager in fast allen Sorten nicht ausreichend zu verhindern. Erst die in Stufe 2 verwendete praxisübliche Aufwandmenge erwies sich bei den meisten Sorten als ausreichend, vor allem im zweizeiligen Sortiment. In einigen Sorten trat leichtes Halmknicken auf.

Bei der Ernte am 11.7.2023 lieferten die zweizeiligen Sorten in Stufe 1 durchschnittlich 104,1 dt/ha und in Stufe 2 durchschnittlich 107,8 dt/ha, wobei die höheren Kosten für Wachstumsregler und Fungizide nicht durch den Mehrertrag gedeckt wurden und zu einem Mindererlös von 102 €/ha führten. Auch bei den mehrzeiligen Sorten stellt der Ertrag von durchschnittlich 109,9 dt/ha in Stufe 1 und 112,5 dt/ha in Stufe 2 ein sehr gutes Ergebnis dar. Doch auch hier entstand durch die höhere Intensität in Stufe 2 ein Mindererlös von 122 €/ha. Der mehrjährige Ertragsdurchschnitt wurde um 13 bzw. 15 dt/ha übertroffen.

Folgende Sorten werden zum Anbau in Mittelfranken empfohlen, wobei diese Sorten alle resistent gegen den Gelbmosaikvirus-Typ 1 sind:

Sandra (Bauer/IG Pflanzenzucht)
Die altbewährte Sorte schnitt zwar heuer in den Anbaugebieten „Fränkische Platten“ (AG 21) und „Jura/Hügelland“ (AG 23) durchschnittlich ab, erreicht aber mehrjährig sowohl am Versuchsstandort Rudolzhofen als auch überregional nicht mehr den Durchschnitt des Prüfsortiments. Sie überzeugt jedoch weiterhin mit ihrer guten bis sehr guten Kornqualität, ihrem großen Korn sowie dem hohen Tausendkorn- und Hektolitergewicht. Beim gezielten Anbau für die Vermarktung können diese Parameter in Jahren mit allgemein schlechter Sortierung und niedrigen Hektolitergewichten entscheidend sein. Sandra ist durchschnittlich standfest und etwas anfälliger für Blattverbräunungen und Zwergrost.
Bordeaux (Ackermann/Saaten-Union)
Die Sorte konnte auch heuer an beiden regionalen Versuchsstandorten nicht ganz die sehr guten Erträge früherer Jahre halten. Überregional und auch mehrjährig liegt sie aber immer noch im Durchschnitt des Sortiments. Bordeaux erreicht eine gut durchschnittliche Kornqualität, ist gut durchschnittlich standfest und neigt wenig zum Ährenknicken. Ihre Anfälligkeit für Mehltau, Rhynchosporium und Zwergrost ist durchschnittlich, jene für Blattverbräunungen etwas erhöht.
Almut (Bauer/IG Pflanzenzucht)
Die heuer in beiden Anbaugebieten erstmals empfohlene Sorte brachte am Standort Rudolzhofen heuer, nach zwei sehr guten Ergebnissen in den Vorjahren, knapp durchschnittliche Erträge und liegt nun im zugehörigen Anbaugebiet „Fränkische Platten“ (AG 21) überregional und mehrjährig im Durchschnitt des geprüften Sortiments. Gleiches gilt für das Anbaugebiet „Jura/Hügelland“ (AG 23), wo sie am Standort Bieswang ihr sehr gutes Vorjahresergebnis heuer sogar noch übertraf. Sehr positiv sind auch die als gut eingestufte Standfestigkeit und die geringe Anfälligkeit für Mehltau und Rhynchosporium zu sehen. Gerade diese Kombination prädestiniert Almut als Gerste für Betriebe mit hohem Gülleanfall. Die Resistenz gegen Zwergrost ist durchschnittlich, jene gegen Ramularia unterdurchschnittlich. Bei der Kornqualität ist Almut durchschnittlich eingestuft. Der Züchter empfiehlt eine Saatstärke von 320-360 Körnern/m².
Arthene (Bauer Polska/IG Pflanzenzucht)
Arthene lag am Standort Rudolzhofen nun wiederholt über dem Durchschnitt des Sortimentes und am Standort Bieswang wieder genau im Durchschnitt. Auch überregional und mehrjährig schneidet sie in beiden Anbaugebieten durchschnittlich ab. Sie ist bei der Kornqualität fast genauso gut eingestuft wie der bisherige Qualitäts-Primus Sandra und dürfte somit als ertragreichere Sorte früher oder später Sandra als Sorte für die Vermarktung ablösen, weshalb sie in beiden Anbaugebieten neu in der Empfehlung steht. Erfreulich ist auch ihre gute Einstufung bei den Kriterien Standfestigkeit, Ährenknicken und Rhynchosporium. Einzig die nur unterdurchschnittliche Resistenz gegen Mehltau ist zu beachten. Als Saatstärke empfiehlt der Züchter 320-360 Körner/m².
KWS Tardis (KWS Lochow)
Die dritte in beiden Anbaugebieten neu empfohlene Sorte schnitt heuer am Versuchsstandort Rudolzhofen leicht unterdurchschnittlich ab, nach einem sehr guten Ergebnis im Vorjahr. Am Standort Bieswang konnte sie ihr überdurchschnittliches Niveau aus dem Vorjahr halten. Sie liegt sowohl heuer als auch mehrjährig in beiden Anbaugebieten an der Spitze des Sortimentes. KWS Tardis ist standfest, neigt wenig zum Ährenknicken und hat eine gute Resistenz gegen Rhynchosporium, aber eine verringerte gegen Mehltau. Die Resistenzen gegen alle übrigen Krankheiten sind durchschnittlich. Bei der Kornqualität ist sie schwächer eingestuft als Almut und vor allem als Arthene. Der Züchter empfiehlt eine Saatstärke von 280-350 Körnern/m².
Valhalla (Ackermann/Hauptsaaten)
Valhalla brachte am Standort Bieswang nach einem sehr guten Ergebnis im Vorjahr heuer einen weit unterdurchschnittlichen Ertrag. Am Standort Rudolzhofen lag der Ertrag heuer erneut unter dem Durchschnitt des Sortiments, so dass die Sorte auch überregional nicht überzeugen konnte. Mehrjährig liegt sie aber in beiden Anbaugebieten auch weiterhin genau im Durchschnitt des Sortiments. Positiv ist die als leicht überdurchschnittlich eingestufte Standfestigkeit; weniger gut jedoch die Kornqualität. Bei den Resistenzen gegen Blattkrankheiten ist sie – mit Ausnahme von Ramularia – durchwegs gut durchschnittlich eingestuft.
Begrenzt empfohlen werden:
Valerie (Breun/Limagrain)
Die auch gegen den Gelbmosaikvirus-Typ 2 resistente Sorte schnitt heuer am Standort Rudolzhofen nur durchschnittlich ab, nachdem sie im Vorjahr dort einen sehr guten Ertrag geliefert hatte. Am Standort Bieswang, ebenso wie auch überregional und mehrjährig, schwankt sie ertraglich um den Durchschnitt des Sortiments. Sie dürfte somit als sogenannte doppeltresistente Sorte auf den typischen Virusstandorten im Gipskeupergebiet deutlich besser abschneiden als alle anderen empfohlenen zweizeiligen Sorten. Zu beachten sind ihre hohe Anfälligkeit für Blattverbräunungen und Zwergrost und die nur durchschnittliche Einstufung beim Ährenknicken. Die Sorte liefert gute Kornqualitäten und ist durchschnittlich standfest. Valerie sollte nur auf Flächen angebaut werden, auf denen Probleme mit dem Gelbmosaikvirus-Typ 2 bestehen, da ansonsten die Resistenz gebrochen werden könnte, noch ehe der Typ 2 auftritt.
KWS Somerset (KWS Lochow)
KWS Somerset wird speziell als Winterbraugerste empfohlen. Ertraglich liegt die Sorten meist um ca. 10 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt. KWS Somerset verfügt über eine gut durchschnittliche Kornqualität und ist gegen Mehltau und Zwergrost gut durchschnittlich resistent.
KWS Higgins (KWS Lochow)
KWS Higgins liefert nach wie vor konstant durchschnittliche Kornerträge, jedoch bei leicht unterdurchschnittlicher Kornqualität. Ihre Schwäche liegt in der Standfestigkeit. Die Blattgesundheit ist bei Mehltau gut, bei Netzflecken und nichtparasitären Blattverbräunungen durchschnittlich. Besonderes Augenmerk ist jedoch auf Rhynchosporium und vor allem auf Zwergrost zu legen. Bei frühem Befall kann daher eine Fungizid-Vorlage zusammen mit einer Wachstumsregler-Behandlung in der frühen Schossphase notwendig sein.
Esprit (DSV)
Esprit konnte heuer an beiden Versuchsstandorten nicht ganz die sehr guten Ergebnisse aus dem Vorjahr halten, schnitt aber in Bieswang trotzdem wieder gut und in Rudolzhofen immerhin knapp durchschnittlich ab. Überregional und mehrjährig liegt sie nun auf durchschnittlichem Niveau. Die etwas später abreifende Sorte ist – abgesehen von Zwergrost – recht blattgesund, neigt weniger zum Ährenknicken und ist durchschnittlich standfest. Die Kornqualität ist leicht unterdurchschnittlich.
Begrenzt empfohlen wird:
SU Midnight (Borries-Eckendorf/Saaten-Union)
Die auch gegen den Gelbmosaikvirus-Typ 2 resistente Sorte kann nach einem hervorragenden Ergebnis am Standort Rudolzhofen im Jahr 2021 in den beiden letzten Jahren ertraglich nicht mehr voll überzeugen. Sie verfügt über eine gut durchschnittliche Standfestigkeit und ist wenig anfällig für Mehltau. Die Kornqualität ist unterdurchschnittlich. Die Empfehlung gilt nur für das Anbaugebiet „Fränkische Platten“ (AG 21), wo sie auch nur auf Flächen angebaut werden sollte, auf denen Probleme mit dem Gelbmosaikvirus-Typ 2 bestehen, da ansonsten die Resistenz gebrochen werden könnte, noch ehe der Typ 2 auftritt. Auf solchen Standorten kann sie ertraglich mit den anderen empfohlenen mehrzeiligen Sorten sicher mithalten.
Sortenspezifische Anbauhinweise (z. B. zur Saatstärke) zu den schon länger empfohlenen Wintergersten-Sorten stehen im aktuellen Versuchsberichtsheft „Integrierter Pflanzenbau“ („Grünes Heft“) auf den Seiten 28 und 29.

Für Standorte, auf denen neben dem bodenbürtigen Gelbmosaikvirus-Typ 1 auch der Typ 2 vorkommt (v. a. Gipskeupergebiet im Landkreis NEA), werden die zweizeilige Sorte Valerie und die mehrzeilige Sorte SU Midnight empfohlen. Die beiden Sorten Avantasia und Julia weisen zwar ebenfalls Resistenzen gegen beide Gelbmosaikvirus-Typen auf; ihnen fehlt jedoch die Resistenz gegen das Milde Gerstenmosaikvirus. In den genannten Gebieten mit (historisch) intensivem Wintergersten-Anbau muss aber auch mit dieser Virusart gerechnet werden. Um die wenigen verfügbaren Sorten mit einer Resistenz auch gegen den Gelbmosaikvirus-Typ 2 möglichst lange zu erhalten, wird dringend empfohlen, derartige Sorten nur auf Flächen anzubauen, auf denen bereits Probleme mit diesem Virus-Typ bestehen, da ansonsten die Resistenz gebrochen werden könnte, noch ehe der Typ 2 auftritt.

Informationen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)