Klimazug ermöglicht waldbaulichen Blick in die Zukunft
Der Klimawandel erfordert einen beschleunigten Waldumbau in unseren Wäldern. Baumarten mit einem geringen Anbaurisiko werden benötigt. Erfahrungen können aus Regionen gewonnen werden, deren heutiges Klima analog zu unserem zukünftigen Klima ist. Die Beobachtung der Wälder in fernen Analoggebieten liefert Erkenntnisse für die Anpassung unserer Forstwirtschaft von morgen.
Bei der Einweihungsfeier des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ansbach am 3. Oktober 2021 verdeutlichte der Klimazug die wohl größte Herausforderung der heutigen Forstwirtschaft: Die langfristige Baumartenwahl in einer sich rasant verändernden klimatischen Umgebung.
Der Klimazug am AELF Ansbach ist mit unseren heutigen Baumarten auf dem Weg in eine sich rasant verändernde klimatische Zukunft
Bäume, die wir heute in Ansbach und Umgebung pflanzen, werden zum Ende des Jahrhunderts vermutlich mit klimatischen Bedingungen des heutigen Südfrankreichs konfrontiert sein. Auf welche Baumarten können und sollten die Waldbesitzenden unter diesen Voraussetzungen setzen? Es muss auf jeden Fall eine gute Mischung sein – darin sind sich alle Försterinnen und Förster einig. Aber neben heimischen Baumarten wird man wohl auch auf Baumarten angewiesen sein, die bei uns heute noch nicht vorkommen und über die wir verhältnismäßig wenig wissen.
Klimatische Analogregionen bieten die Möglichkeit, solche Baumarten zu identifizieren und Erfahrungen für unsere zukünftigen Wälder zu sammeln. Dafür nutzen Forschende der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising anerkannte Klimamodelle und suchen nach Regionen Europas, in denen heute schon unser zukünftiges Klima herrscht. In der Abbildung sind diese Gebiete farblich gekennzeichnet und repräsentieren unsere klimatische Zukunft in 20-Jahres-Schritten. Der im Jahr 2000 (Referenzzeitpunkt) in Lehrberg bei Ansbach gestartete Klimazug fährt in Richtung klimatischer Zukunft und befindet sich heute bereits in Walldürn, einem Ort im Neckar-Odenwald-Kreis. Bereits in 20 Jahren, im Jahr 2040, sagen uns die Modelle für Ansbach ein Klima voraus, welches 2000 im französischen Ansauville, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Nancy herrschte. Und so fährt der Klimazug bis ins südfranzösische Esperce bei Toulouse weiter, wo er unter den Voraussetzungen eines starken Klimawandels (Treibhausgas-Emissionsszenario RCP 8.5) im Jahr 2100 ankommen wird.
Die Frage ist dabei nicht, ob der Klimazug in diese Zukunft fährt, sondern lediglich, wie schnell und bis zu welcher Endhaltestelle. Sollten wir es als Menschheit schaffen, den Klimawandel zu verlangsamen (z. B. Treibhausgas-Emissionsszenario RCP 4.5), erreicht unser Klimazug die entsprechenden Stationen später und fährt nicht so weit – unserem Wald bliebe etwas mehr Zeit für die notwendige Anpassung. Legt man die deutlich optimistischeren Daten des Treibhausgas-Emissionsszenario RCP 4.5 zugrunde, müsste der Zug Deutschland nicht verlassen. Die letzte Station im Jahr 2100 läge in diesem Fall „nur“ im Bereich des Oberrheingrabens. Dies zeigt ein weiteres Mal wie wichtig konsequente Maßnahmen gegen eine weitere Klimaerhitzung sind.
Welche Baumarten bei dieser Anpassung eine Rolle spielen könnten, verdeutlichen sogenannte „Eiszapfengrafiken“. Basierend auf europäischen Waldinventurdaten zeigt die Abbildung die häufigsten Baumarten der Analogregionen. Je breiter der Balken einer Baumart zu einem bestimmten Zeitpunkt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens in der entsprechenden Analogregion. Es lassen sich drei Gruppen von Baumarten identifizieren, anhand derer sich unterschiedliche Strategien für die Integration in den zukünftigen Waldumbau in Ansbach und Umgebung ableiten lassen: Zu den „Verlierern“ im Klimawandel zählen Baumarten, deren Häufigkeit in den Analogregionen unserer klimatischen Zukunft deutlich abnimmt (z. B. Fichte, Lärche und Kiefer). Angesichts des sehr hohen Anbaurisikos wird der Anteil dieser Baumarten im Waldumbau bewusst zurückgenommen. Die „Beständigen“ (z. B. Feldahorn, Trauben- und Stieleiche) finden wir sowohl in unseren Wäldern als auch in den Analogregionen. Der Anbau dieser meist heimischen Baumarten gilt als weniger riskant, weshalb sie im klimaangepassten Waldumbau eine besondere Rolle spielen. Zu den „Begünstigten“ im Klimawandel zählen Baumarten, die heute noch nicht oder nur vereinzelt in unseren Wäldern vorkommen, in den Analogregionen unserer klimatischen Zukunft aber häufig sind (z. B. Edelkastanie, Flaumeiche und Manna-Esche). Ihr Anbau gilt in Ansbach und Umgebung momentan noch als riskant (z. B. wegen Spätfrösten), wird im Waldumbau zukünftig aber eine zunehmende Bedeutung erlangen. Wichtig wird es dabei sein, den richtigen Zeitpunkt für eine vermehrte Anreicherung unserer Wälder zu finden.
Sicher ist bei all diesen Risiken nur, dass die Försterinnen und Förster gemeinsam mit den Waldbesitzenden unserer Region vor großen Herausforderungen und schwierigen Entscheidungen stehen. Sie sollten dabei alle verfügbaren Erkenntnisse aus Praxis und Forschung nutzen, damit unsere Wälder auch zukünftig alle Leistungen einer multifunktionalen Forstwirtschaft erbringen können. Weitere Informationen zum Forschungsprojekt „ANALOG – Waldzukunft zum Anfassen“ finden Sie unter :