Pferdehaltung
Jedes Pferd muss regelmäßig liegen können

Verletzte Fessel mit Jod behandeltZoombild vorhanden

Verletzung Fesselgelenk
© Lisa Walther

Gerade in der kalten Jahreszeit sind vermehrt Pferde in Gruppenhaltungen mit aufgeschlagenen Fesselgelenken an den Vordergliedmaßen zu sehen. Einige Pferde tragen auch Hufglocken, um die bereits vorhandenen Verletzungen zu schützen.

Die meisten Pferdehalter denken bei diesen Bildern an die Erkrankung Narkolepsie ("Schlafkrankheit"). Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Störung der Schlaf-Wach-Regulation, welche ein plötzliches Zusammenknicken und Hinfallen der Pferde mit ähnlichen Verletzungsbildern zur Folge hat. Diese Erkrankung ist bei Pferden äußerst selten und damit nicht Hauptursache für die häufig beobachteten Verletzungen.

Verletzung Fesselgelenk AltZoombild vorhanden

Alte Verletzung am Fesselgelenk

Weitere Pferdehalter vermuten wiederum, dass diese Verletzungen durch die normalen Ablege- und Aufstehbewegungen der Pferde entstehen. Wer ein Pferd dabei genau beobachtet, wird feststellen, dass beim Ablegen zwar das Vorderfußwurzelgelenk sowie das Fesselgelenk den Boden berühren, ein fester Aufprall jedoch nicht geschieht. Beim Aufstehen kommt es zu keinerlei Berührung dieser Partien mit dem Boden. Auch dies ist nicht Ursache für die beobachteten Verletzungen.
Mit Hufglocken geschützte FesselnZoombild vorhanden

Hufglocken als Schutz

Der Großteil der beschriebenen Verletzungen ist auf einen Schlafentzug der Pferde und damit auf Mängel in der Haltung und das Management zurückzuführen. Zu diesem Ergebnis sind bereits Forscher der LMU München gekommen, die vermeintlich unter Narkolepsie erkrankte Pferde untersuchten. Über den Sommer kompensieren viele Pferde das fehlende Liegen in den Liegehallen durch Liegen auf der Weide oder im Auslauf. In den Übergangsmonaten und dem Winter sind diese Böden häufig nass oder sogar morastig, sodass dort kein Abliegen mehr erfolgt. Aus diesem Grund sind die oben genannten Verletzungen und Verhaltensweisen gerade in der aktuellen Jahreszeit zu beobachten.

Schlafverhalten von Pferden

Erwachsene Pferde ruhen etwa 6 bis 9 Stunden am Tag, aufgeteilt in mehrere kurze Ruhephasen von etwa 20 Minuten. Die meiste Zeit beim Ruhen wird im Stehen ("Dösen") verbracht, nur etwa 2 bis 3,5 Stunden je Tag wird das Ruhen im Liegen gezeigt. Jungtiere ruhen insgesamt länger und vermehrt im Liegen. Der Schlaf kann in verschiedene Schlafstadien unterteilt werden. Eine dieser Schlafstadien ist der sogenannte REM (Rapid Eye Movement)-Schlaf, der nach bisherigen Erkenntnissen nahezu ausschließlich im Liegen in Brust- oder Seitenlage möglich ist. Dieser REM-Schlaf ist durch Augenbewegungen, niedriger Muskelspannung und Traumschlafphasen gekennzeichnet.
Legt sich ein Pferd über einen längeren Zeitraum nicht ab, kann dieser REM-Schlaf nicht vollzogen werden. Dadurch können die Regenerationsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit abnehmen sowie das psychische Wohlbefinden beeinträchtigt werden. Folge dieses Schlafentzuges können Zusammenbrüche sein, die mit den auf den Bildern gezeigten Verletzungen einhergehen.

Wie erkenne ich Störungen im Schlafverhalten der Pferde?

  • Abnehmende Leistungsfähigkeit und Regenerationsfähigkeit
  • Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens
  • Verletzungen an den Vordergliedmaßen, meist an Fesselgelenk und Vorderfußwurzelgelenk
  • Verletzungen im Kopfbereich
  • Beobachtete Zusammenbrüche des Pferdes: Das Pferd steht in Döshaltung mit halb- oder ganz geschlossenen Augen. Der Kopf sinkt langsam Richtung Boden, das Pferd verliert an Muskelspannung, die Beine knicken ein oder es beginnt zu Wanken. Das Pferd erwacht in diesem Moment oder stürzt zu Boden (siehe Film).

Aktivierung erforderlichYouTube-Logo

Durch das Klicken auf diesen Text werden in Zukunft YouTube-Videos im gesamten Internetauftritt eingeblendet.
Aus Datenschutzgründen weisen wir darauf hin, dass nach der dauerhaften Aktivierung Daten an YouTube übermittelt werden.
Auf unserer Seite zum Datenschutz erhalten Sie weitere Informationen und können diese Aktivierung wieder rückgängig machen.
Pferd knickt im Stehen ein

Gründe für Schlafstörungen beim Pferd und Lösungsmöglichkeiten

Hauptursächlich für die Störungen im Liegeverhalten des Pferdes sind Mängel in der Haltung bzw. dem Management. Die Erfahrung unseres Amtes zeigt, dass die Liegebereiche in Gruppenhaltungen häufig zu klein sind und gerade rangniederen Pferden zu wenige Ausweichmöglichkeiten geboten werden. Denn auch während des Ruhens werden rangabhängige Individualdistanzen eingehalten, auch wenn diese im Vergleich zu den Distanzen während der Nahrungsaufnahme deutlich geringer sind. Nur eng miteinander vertraute Tiere liegen dicht, zum Teil auch mit Körperkontakt, zusammen.
Größe und Strukturierung

Es zeigt sich, dass selbst bei Einhaltung der Maße der Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (3 x Widerristhöhe ² / Pferd) rangniedere Pferde deutlich kürzer als ranghohe Pferde liegen. Erst bei einer mehr als doppelt so groß bemessenen Liegefläche als von den Leitlinien gefordert, können sich rangniedere Pferde genauso oft und lange in allen Liegepositionen ablegen wie Ranghöhere. Unser Amt empfiehlt daher deutlich über die Leitlinien hinaus großzügige Liegebereiche mit mind. 12 m² pro Pferd zu planen. Die Verwendung von Raumteilern in Liegehallen strukturieren den Bereich zusätzlich und schützen damit rangniedere Pferde.

Allein ein großer Liegebereich reicht jedoch nicht aus, wenn die Pferde diesen aufgrund ihres hohen Sicherheitsbedürfnis als Fluchttier ungern nutzen möchten. Unser Amt empfiehlt daher Liegebereiche max. 8 m - besser 5 m - tief und mind. doppelt so breit wie tief zu planen, um Sackgassen zu vermeiden.

Um den Pferden einen Rundumblick zu ermöglichen, sollte auf schmale Tore verzichtet werden und das Gebäude mind. nach einer Seite (am besten Süden) vollständig geöffnet werden. Außerdem sollten immer mehrere Liegebereiche geschaffen werden, damit rangniedere Pferde den Ranghohen ausweichen können.
Untergrund
Ein weiterer Grund warum sich Pferde nicht oder sehr wenig hinlegen ist auf den Untergrund zurückzuführen. Nach den Leitlinien muss dieser trocken, verformbar, trittsicher sein und sollte eingestreut sein. Dies können Böden mit Einstreu aus Naturmaterialien, z.B. Stroh, Strohpellets, Miscanthus, Sägespäne, Waldboden etc., am besten gewährleisten.

Bei der Nutzung von Gummimatten ist zwingend eine dünne Schicht an Einstreu notwendig und Pferde ohne Vorerfahrung mit diesem Untergrund müssen langsam daran gewöhnt werden. Fressbare Einstreu wie Stroh hat den Nachteil, dass dieser Liegebereich auch von anderen Pferden zum Fressen genutzt wird und damit Ruhende gestört werden. Im besten Falle wird daher keine fressbare Einstreu im Liegebereich verwendet.

Fehler in der Gruppenzusammenstellung
Neben den baulichen Gegebenheiten können auch Fehler in der Gruppenzusammenstellung und der Integration zu einem Schlafmangel führen. Hier gilt es als Betriebsleiter entsprechend zu handeln, ggf. ein nicht soziales und Unruhe stiftendes Pferd vollständig aus der Gruppe zu nehmen. Auch für schlecht sozialisierte Pferde, da sie z. B. den Großteils ihres Lebens in Einzelhaltung verbracht haben, kann die Umstellung auf die Gruppenhaltung viel Stress und damit Schlafentzug bedeuten. Hier gilt zu bewerten, ob diese Form der Haltung für dieses spezielle Pferd geeignet ist.
Traumatische Erlebnisse
Auch traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit können dazu führen, dass sich Pferde nicht mehr hinlegen. Dieses Trauma kann beispielsweise darin bestehen, dass ein Pferd aufgrund eines glatten Bodens nach dem Ablegen nicht mehr oder nur sehr erschwert aufgestanden ist. Dies ist für ein Fluchttier eine sehr bedrohliche Situation und prägt sich ein. Es kann also sein, dass trotz Beheben dieses Problems - durch einen weichen, großzügigen, eingestreuten Liegebereich – das Pferd sich nicht mehr ablegt. Hier ist viel Geduld gefragt. In der Regel lernen die Pferde wieder, dass das Ablegen auf dem neuen Untergrund keine Gefahr mehr darstellt.
Gesundheitliche Probleme
Zuletzt sind auch gesundheitliche Probleme, welche Schmerzen beim Ablegen oder Aufstehen verursachen, als Grund anzuführen. Dies kann durch Arthrose oder akute Gelenksentzündungen begründet sein. Hier gilt es, die Ursache durch entsprechende Behandlungen abzustellen. Auch kann die tatsächliche Erkrankung der Narkolepsie vorliegen.

Was ist zu tun, wenn die Schlafstörung bei einem oder mehreren Pferden erkannt wird?

Zunächst sollten die eigene Haltung und das Management analysiert werden und Schwachstellen möglichst schnell beseitigt werden. Hilfestellung bei der Optimierung der Pferdehaltung (in Bayern) bietet unser Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ansbach.

Zeigt ein Pferd bereits beschriebene Verletzungen, sind die Wunden zu behandeln und das weitere Aufplatzen dieser Stelle zu verhindern. Hier haben sich Hufglocken, welche verkehrt herum angezogen werden, bewährt. Bis zur Behebung der Haltungsmängel, sollte dieses Pferd zeitweise, beispielsweise über Nacht, in eine Separationsbox verbracht werden, in der es das Ruheverhalten im Liegen ausführen kann. Diese Separationsbox muss selbstverständlich auch den Anforderungen hinsichtlich Größe und Bodenbeschaffenheit erfüllen. Besonders wichtig ist dabei auch, dass der Kontakt zur bestehenden Gruppe weiterhin durch mind. Sicht- und Geruchskontakt möglich ist.

Fazit

Für die meisten dieser Verletzungen sind wir als Betriebsleiter und Pferdebesitzer verantwortlich. Das Tierschutzgesetz besagt in § 1 eindeutig, dass niemand dem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen darf. Es ist unsere Aufgabe die Augen offen zu halten, den Mangel an Schlaf festzustellen und Maßnahmen zur Behebung umzusetzen.